Der Emmericher Goliath
Karl von Geldern und der Grutte Pier
Lange bevor es den Kreis Kleve gab, herrschten hier Grafen und Herzöge. Einer von ihnen hieß Karl. Er lebte vor 500 Jahren. Weil er im Herzogtum Geldern herrschte, wurde er auch Karl von Geldern genannt.
Wie viele andere Herzöge, wollte auch Karl von Geldern sein Herzogtum vergrößern. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Karl von Geldern holte sich für die Kämpfe Hilfe. Einer der Unterstützer war ein ehemaliger Seeräuber aus Friesland. Weil er so groß war, wurde er von allen Grutte Pier, das bedeutet Großer Peter, genannt.
Emmerich wird belagert
In einem seiner Kriege wollte Karl von Geldern Emmerich einnehmen. Die Stadt gehörte damals zum Herzogtum Kleve.
Die Truppen des Herzogs von Geldern belagerten die Stadt. Anführer der Belagerung war der Grutte Pier. Er galt als gefürchteter Raufbold.
Die Menschen in Emmerich hatten Angst. „Hoffentlich überfallen uns die Gelderner nicht“, jammerten sie. „Was wird nur aus uns, wenn sie in die Stadt kommen? Wie können wir uns nur schützen?“ Die Menschen bereiteten sich auf das Schlimmste vor.
Ein Bauer namens van Weel
Auch die Einwohner aus der Bauernstraße machten sich kampfbereit. Unter ihnen war ein Bauer namens van Weel. Er führte die Gruppe an.
Van Weel war ein riesiger Mann, wohl zwei Meter groß. Seine Schultern waren breit und muskulös. Seine Hände sahen aus wie große Schaufeln. Niemand in der Stadt war kräftiger und größer als er.
Die Menschen, die ihn sahen, dachten an den Kämpfer Goliath aus der Bibel. „Da ist der Goliath aus Emmerich“, riefen sie sich lachend zu, wenn sie ihn sahen.
Ein Kessel als Helm
„Wir müssen uns verteidigen“, rief van Weel. „Holt eure Waffen!“ Die Menschen aus der Bauernstraße rüsteten sich gegen die Angreifer.
Van Weel zog seine eiserne Rüstung an. Einen Helm besaß er nicht. Stattdessen stülpte er sich einen eisernen Kessel über den Schädel.
Von Kopf bis Fuß in Eisen gewaffnet, machte er einen furchteinflößenden Eindruck. „Niemand nimmt unserer Stadt ein!“, machte er den anderen Mut. Der Goliath von Emmerich stellte sich in die erste Reihe, um seine Stadt zu verteidigen.
Sturm auf Emmerich
Nach einiger Zeit der Belagerung wagte der Grutte Pier den Angriff. Er gab das Zeichen, die Stadt zu erstürmen. Seine Leute johlten und schrien. Mit hoch erhobenen Waffen stürmten sie siegessicher auf Emmerich zu.
Als die Belagerer gegen die Stadtmauern stürmten, lehnte sich van Weel weit über die Stadtbefestigung hinaus. Neben den anderen sah er noch viel größer und furchteinflößender aus, als er tatsächlich war.
Erst fuchtelte er nur wild mit den Armen. Dann brüllte er zornig, streitlustig und böse. Seine Stimme dröhnte über die Stadtmauern hinweg bis weit in das Land hinein.
Die Angreifer ziehen sich zurück
Der Grutte Pier und seine Soldaten erschauderten bei dem Anblick. Sie hielten sich die Ohren zu. „Was ist das für ein Gebrüll!“, schrien die einen angstvoll. „Wer ist dieser riesige Kerl?“, jammerten die anderen erschrocken.
Die Angreifer stoppten den Sturm auf die Stadt. Sie zogen sich zurück. Bald darauf gaben sie die Belagerung der Stadt Emmerich auf. Eine Stadt, in der so ein Riese wohnt, ist nicht zu besiegen.
So hatte der Emmericher Goliath seine Stadt gerettet.