Der geheimnisvolle Stein bei Haus Hemberg
Haus Hemberg in Aldekerk
Vor mehreren hundert Jahren lag in der Bauernschaft Eyll bei Aldekerk das Haus Hemberg. Hier lebten die Herren von Eyll. Sie waren adelig. Haus Hemberg war ihre Stammburg. So nennt man die Burg, wo eine adelige Familie zuerst gewohnt hat.
Die Familie von Eyll war reich. Irgendwann starb der Besitzer des Hauses Hemberg, ohne Kinder hinterlassen zu haben. Es gab somit niemanden, der das Haus erbte. Es verfiel nach und nach. Schließlich wurde es abgerissen.
Das Herrenhaus in Trümmern
Nach dem Abriss des Hauses wurden die Steine nicht ordentlich weggeräumt. Es machte sich auch niemand die Mühe, das Holz abzutransportieren. Auch für die Ziegel hat sich keiner interessiert. Alles blieb einfach liegen. Aus dem stattlichen Herrenhaus einer adeligen Familie war eine wüste Trümmerstätte geworden.
Lange Zeit kam niemand an diesen Ort. Büsche und kleine Bäume wuchsen in dem Geröll. Eidechsen sonnten sich auf den warmen Steinen. Im Sommer blühten überall wunderschöne bunte Blumen, weil niemand da war, der sie pflückte.
Der geheimnisvolle Stein
Nahe dem zerstörten Haus lag ein riesiger Stein. Er trug folgende Inschrift:
Gej sold ou verwondere,
wann gej myn sog van ondere.
Das klingt eigenartig, oder? So haben die Menschen vor vielen hundert Jahren hier gesprochen. Du würdest es heute so schreiben:
Ihr würdet euch wundern,
wenn ihr mich sähet von unten.
Der Stein war den Menschen, die in Eyll wohnten, ein Rätsel. „Was soll das?“, fragten sie sich, wenn sie über das verschwundene Haus Hemberg und den Stein sprachen. „Liegt dort etwa ein Schatz?“
Große Neugier
Eines Tages wurde die Neugier zu groß. „Ich möchte wissen, was unter dem Stein liegt“, rief ein Einwohner von Eyll. „Ja“, meinte ein anderer. „Es könnte ja wirklich sein, dass dort etwas Wertvolles vergraben liegt.“
Die beiden suchten sich eine kleine Gruppe starker Männer zusammen, um den Stein umzudrehen. Helfer waren schnell gefunden - schließlich wollte jeder dabei sein, wenn der Schatz gehoben wurde.
Mit langen Stangen machten sie sich auf den Weg. Sie waren aufgeregt und voller Neugier. Es war ein richtiges Abenteuer.
Eine schwierige Aufgabe
Als die Männer angekommen waren, machten sie sich gleich an die Arbeit. Es war gar nicht so einfach, den Stein umzudrehen. Er war groß und schwer. Weil er schon so lange dort gelegen hatte, war er ein ganzes Stück in die Erde gesackt. Viele Jahrzehnte waren Gras und Büsche ungehindert um ihn herum gewachsen. Er steckte fest im Boden.
Die Männer mühten sich sehr. „Wie ist dies schwere Ding nur hierhin gekommen?“, fragte einer von ihnen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Hau ruck! Hau ruck!“, riefen sie im Chor und stemmten sich mit voller Kraft gegen den Stein.
Geschafft!
Mit vereinten Kräften gelang es den Männern schließlich, den großen Stein umzuwälzen. Mit einem dumpfen „omph“ fiel er auf die andere Seite.
Die Männer jubelten vor Freude. Sie fielen sich in die Arme. „Wir haben es endlich geschafft“, lachten sie. „Wo ist denn nun der Schatz?“
Doch einen Schatz fanden sie nicht unter dem Stein. Wohl aber eine zweite Inschrift, die auf der Rückseite des Steins stand:
Nou ben ick bly,
dat eck leg op de andere sy.
Heute würde es heißen:
Nun bin ich froh,
dass ich auf der anderen Seite liege.
An der Nase herumgeführt
Die Männer wussten nicht, ob sie lachen oder weinen sollten. „Was, was soll das?“, stammelte einer von ihnen. „Wo ist der Schatz?“ Fassungslos schauten sich alle an. Einige Männer ließen sich erschöpft ins Gras fallen. „So viel Arbeit für nichts“, schimpften sie schweißüberströmt.
Es dauerte ein wenig bis auch der letzte von ihnen begriffen hatte, dass es keinen Schatz gab.
Mit hängenden Köpfen machten sie sich wieder auf den Heimweg. Die Abenteuerlust war ihnen vergangen. Geblieben war nur das Gefühl, von einem Stein an der Nase herumgeführt worden zu sein.