Die Wachtendonker Erdmännchen
Erdmännchen unterm Rathaus
Kennst du das Rathaus von Wachtendonk? Vor langer Zeit, als das Rathaus von Wachtendonk noch ganz anders aussah, wohnten hier Erdmännchen. Nicht die, die du aus dem Zoo kennst. Erdmännchen sind Wesen, die wie kleine Menschen aussehen. Man kann sie auch Zwerge nennen.
Die Erdmännchen wohnten nicht im Rathaus, denn dort arbeitete ja der Bürgermeister. Sie lebten unter dem Rathaus in der Erde. Von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt wurden sie auch Erdmännekes genannt.
Ein Topf aus Kupfer
Die Erdmännchen besaßen einen wunderschönen Topf aus Kupfer. Kupfer ist ein Metall. Es glänzt rötlich. Schau dir einmal eine 1- oder 2-Cent Münze an. Sie besteht zu einem großen Teil aus Kupfer.
Tagsüber durften die Menschen aus der Stadt den Kupfertopf ausleihen. „Passt gut auf unseren Topf auf“, riefen die Erdmännekes dann. „Und bringt ihn uns blitzeblank wieder zurück.“
Abends kam der Topf sauber zu den kleinen Männchen zurück. Oft lag ein kleines Geschenk darin. Besonders gerne mochten die Erdmännchen Weißbrot.
Ein undankbarer Bürger
Eines Abends stellte ein undankbarer Bürger aus Wachtendonk den Topf verschmutzt vor dem Rathaus ab. Auch das Geschenk für die Erdmännchen fehlte. Die kleinen Wesen ärgerten sich sehr. „Pfui!“, riefen sie. „Wie sieht denn unser schöner Topf aus? Und bedankt hat sich der Kerl auch nicht.“
In der Nacht trippelten sie gemeinsam zum Haus des Mannes. Um sich zu rächen, nahmen sie alles Getreide mit, was sie bei ihm in der Scheune fanden. „Morgen kommen wir wieder“, riefen sie und trippelten davon.
Erbsen auf der Treppe
Als es hell wurde, sah der Mann die leere Scheune. „Diese schrecklichen Erdmännchen“, schimpfte er laut. „Das machen sie nicht noch einmal mit mir.“
Abends ging er in die Küche und holte eine Handvoll getrockneter Erbsen. Er verstreute sie auf der Haustreppe. „Die Zwerge nehmen mir nichts mehr weg“, rief er.
Wieder kamen die Erdmännchen im Dunkeln. Sie trippelten die Treppe hinauf. Als der erste Zwerg auf den Erbsen ausrutschte, riss er die anderen mit sich. Die kleinen Männchen stolperten durcheinander. Einige taten sich sehr weh.
Eine Familie muss betteln gehen
Damit hatte der Mann die Erdmännchen noch mehr verärgert. Sie kamen jede Nacht zu seinem Haus und nahmen alles mit - Essen und Trinken, Tische und Stühle, Bettzeug und Kleidung, Besteck und Geschirr.
„Wir haben nichts mehr“, erklärte der Mann seiner Familie nach einigen Tagen. „Die Zwerge haben uns alles genommen.“ Seine Kinder weinten. Von nun an ging der Mann betteln, damit sie etwas zu essen hatten.
Nicht allen Menschen aus Wachtendonk tat die Familie leid. „Das passiert, wenn man die Erdmännchen ärgert“, riefen manche hinter vorgehaltener Hand.
Eine Kirche für Wachtendonk
Viele Jahre später wurde in Wachtendonk eine Kirche gebaut. Die Kirche heißt St. Michael. Heute ist sie über 600 Jahre alt. Ihre Glocken läuteten dreimal am Tag - morgens, mittags und abends.
Den Bürgerinnen und Bürgern von Wachtendonk gefiel das gut. Sie waren sehr stolz auf ihre schöne Kirche. „Hört nur, wie schön die Glocken klingen“, freuten sie sich.
Den Erdmännchen aber gefiel das nicht. „Was für ein schreckliches Gebimmel“, riefen sie verärgert. Sie verkrochen sich unter der Erde.
Wo sind die Erdmännchen jetzt?
Irgendwann wurde das Glockengeläut den kleinen Wesen zu viel. Sie packten ihre Sachen zusammen und verließen die Stadt. Auch den schönen Topf aus Kupfer nahmen sie mit.
Nach ungefähr 15 Kilometern - und das ist für Zwerge ein weiter Weg - kamen sie an einen Berg. Er lag nahe des Ortes Hüls in der Nähe von Krefeld. Hier gefiel es ihnen. „Lasst und hierbleiben“, rief einer von ihnen. „Ja“, freute sich ein anderer. „Hier ist niemand, der uns ärgern kann.“ Die Erdmännekes zogen mit Sack und Pack im Hülser Berg ein. Man sagt, dass sie immer noch dort wohnen.